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Silber und Tand
Ab 8:00 Uhr ist schlafen nicht mehr möglich. Draußen ist es hell und
auf einem Nachbargrundstück wird gearbeitet und gehämmert. Nach Kaffee,
Baguette und Müsli starten wir wieder in die Stadt. Selbst am Sonntag
(oder gerade da?) steppt hier der Bär. Vor dem Stadttor hat sich ein
kleiner Markt aufgebaut, auf dem Hilltribe-Kunst und sonstige Sachen
angeboten werden, darunter auch viel Tand. Um 11:00 Uhr machen wir eine
Pause im Daret's, essen und trinken etwas.
Wir wollen uns nach Silberschmuck umsehen, den man hier im Norden
recht günstig bekommen soll. Laut Reiseführer gibts die besten
Möglichkeiten in der Wualai Road, fast am anderen Ende der Innenstadt.
Die Gegend scheint dort weit weniger touristisch, es sind fast nur
Einheimische unterwegs. In dieser Straße reiht sich ein Laden mit
Silberzeug an den anderen. Zum Teil werden auch gerade neue Stücke
gefertigt und ich sehe, dass es recht lange dauert, bis so ein Löffel
seine eigentliche Form erhält, wenn er mit einem Hammer bearbeitet
wird.
Yasmin findet in einem Laden einen schönen Armreif und darf ihn
anprobieren. Der Preis? Zettel, Stift, aufschreiben, 1300 Baht. Wir üben
uns im Kopfschütteln, denn wir haben uns vorgenommen, gut zu verhandeln.
Yasmin schreibt 800 auf den Zettel. Die nette Verkäuferin ist allerdings
mindestens ebenso gut im Kopfschütteln und so einigen sich die beiden
auf 1000 Baht. Ein paar Läden weiter ist es eine Halskette, die Yasmin
auffällt. Wir stellen uns aufs Verhandeln ein. "How much?", "650".
Wieder schütteln wir, "400". Heftiges Gegenschütteln, "600". Das wird jetzt
wohl nicht so leicht. Nächstes Gebot von Yasmin ist 500 und immer noch
schüttelt die Verkäuferin. Wir beraten uns und bieten "550, last one".
Die Verkäuferin holt einen Taschenrechner und eine Waage. Sie wiegt die
Kette und nachdem sie das Bruttosozialprodukt alle APAC-Staaten in
Relation zu Ihrem Umsatz gesetzt hat, ist sie einverstanden. Hat sie
natürlich nicht, sondern sie hat vielmehr den Silberpreis ausgerechnet
und kam zu dem Schluss, dass sie zwar wenig, aber immerhin noch Gewinn
macht. Das freut uns natürlich und mit der neuen Beute ziehen wir los
zum Guesthouse, um uns vor dem Abend noch ein wenig auszuruhen.
Wir wollen heute Nacht in die "Brasserie" am Fluß, denn dort soll es
ab 23:00 Uhr gute Live-Musik geben. Vorher wollen wir nochmal zum
Nachtmarkt an der Chang Klan Road, der ist aber erst richtig interessant
ab 19:00 Uhr, wenn es dunkel ist. Unterwegs finden wir einen riesigen
Straßenmarkt, für den der Verkehr in mehreren Straßen gesperrt wurde.
Dort gibt es praktisch alles zu kaufen, was man täglich benötigt, aber
auch alles für den Touristen.
Yasmin fragt zwei Kinder, die dort etwas verkaufen, dass wie eine
überdimensionale Erdnuss mit vier Beulen aussieht. Leider können beide
kein englisch, aber wir dürfen probieren. Es schmeckt irgendwie
dattelähnlich mit vier großen Kernen. Später stellt sich heraus, dass
das Tamarinde ist.
Um 16:00 Uhr legen wir uns aufs Ohr, um 19:00 Uhr gehts wieder los.
Wir kämpfen uns durch den dichten Verkehr zum Nachtmarkt, der
mittlerweile vollständig geöffnet hat. Auf der Hauptbühne spielt eine
thailändische Coverband amerikanische Songs. Wir stöbern noch etwas
herum und suchen was zu essen. Wieder finden wir einen Stand mit
Würmern, Maden und Heuschrecken. Jetzt gibts auch noch Frösche. Uhhhh.
Da das eindeutig nichts für unsere europäischen Mägen ist, kaufen wir
ein paar fade Frühlingsrollen. Als Nachtisch gibts ein "Rotee" Pancake
mit Bananen. Das ist einem Crepe recht ähnlich, aber zusätzlich mit
Unmengen von Kondensmilch übergossen. Ich hole mir derweil wieder
Nudeln, jetzt mal mit einer Bratwurst.
Auf der Hauptbühne großen Bühne rockt eine zierliche Thailänderin im
Rockeroutfit Shania Twain. Im Nachmachen sind die Asiaten richtig gut.
Als die Band dann mit Bee Gees weitermacht, hält uns nichts mehr.
Seltsam. anscheinend ist amerikanische, oder zumindest westliche Musik
das Maß der Dinge. Das wundert mich schon, denn Asien ist ja nicht
gerade klein und es muss doch irgendwelche lokalen Stars geben, die den
Importierten das Wasser reichen können. Nun, jedenfalls nicht auf dieser
Veranstaltung. Am Ende bekommen wir noch die Wahl zur Miss Irgendwas
2004 mit, bei der Frauen in ausgefallenen Kleidern und spitzen Hüten um
den ersten Platz streiten. Den bekommt eine Frau mit einem Kleid aus den
hier allgegenwärtigen Einwegwasserflaschen. Auf dem weiteren Weg
zwischen den Einkaufsständen kommt ein Verkäufer etwas aus dem Konzept.
Anstatt des üblichen "have a look" sagt er "what's up" und nachdem er
keine Reaktion erhält nimmt er an, dass wir wohl Franzosen sind und
lässt sich zu einem "come si come ca" hinreißen.
Auf der Nebenbühne rock-popt eine Schülerband auf F, Em7, Dm7, C und
das mit Ausdauer. Aber immerhin ist der Text in der Landessprache. Dann
zeigen die Jungs, was ihnen wirklich gefällt und liefern beinharten
Trash-Metal. Eine Schülerband eben. Der Text dreht sich wahrscheinlich
um den Mathe-Fünfer von letzter Woche und den daraus resultierenden
Schmerz, dessen Heftigkeit in der Lautstärke aufgeht. Auf der anderen
Nebenbühne gibts Kulturprogramm mit klassischer thailändischer Musik und
Tanz. Eingängige Melodien, aber auf die Dauer recht eintönig.
Um 23:00 Uhr sind wir unterwegs zur Brasserie. Hier, leicht außerhalb
des Gedränges, reiht sich eine Kneipe an die andere und in den meisten
gibt es Livemusik. Heute soll ein Spitzengitarrist auftreten und den
wollen wir sehen. Es hieß, wir sollen rechtzeitig da sein, um einen
Platz zu bekommen.
Die Kneipe ist riesig und fast leer. Viellecht liegts am Sonntag,
vielleicht stimmt auch der Reiseführer nicht. Dennoch liefert die 3-4
Mann Band was fürs Ohr. Alles Cover, klar, wir sind ja in Asien. Aber
mit Jimmy Hendrix kann er es aufnehmen. Das einzig störende ist nur die
Bedienung, die im klassischen Kellneroutfit aufpasst, ob die Gläser leer
werden. Das versteht man hier wohl unter gutem Service, ist aber einfach
zu viel des Guten.
Ich bestelle noch ein Bier, trinke es aus und wir wollen gehen.
Dieses Bier kostet 95 Baht, die letzten nur 80. Na schön. Eigentlich
wollte ich der Band einen Zwanziger geben, die gehen jetzt leer aus. Um
2:00 Uhr nachts sind wir erst wieder im Guesthouse, dessen Straße seit
dem Morgen komplett unter Wasser steht. Rohrbruch. Und sonntags arbeiten
die Stadtwerke nie, hat Uwe gesagt.
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