Endspiel um die Deutsche Meisterschaft am 9.6.1924:

Grunewaldstadion Berlin / 30.000 Zuschauer

1. FC Nürnberg - Hamburger SV 2:0(1:0)

1. FCN: Stuhlfauth - Bark, Kugler - Hans Schmidt, Kalb, Riegel - Strobel, Hochgesang, Wieder, Träg, Sutor
Hamburger SV: Martens - Beier, Risse - Lang, Halvorsen, Krohn - Kolzen, Fick, Harder, Schneider, Rave
Schiedsrichter: Fritz Seiler (Mittweida)
Tore: 1:0 Hochgesang (30.), 2:0 Strobel (87.)
Deutscher Meister 1924

Deutscher Meister 1924
Hinten von links: Luitpold Popp, Georg Hochgesang, Hans Schmidt, Heinrich Stuhlfauth, Carl Riegel, Hans Kalb, Gustav Bark, Spielausschußvorsitzender Danninger. Vorne von links: Hans Sutor, Heinrich Träg, Ludwig Wieder, Anton Kugler, Wolfgang Strobel.



Genau darauf hatte man gehofft. Nach den aufregenden Jahren, in denen die Fußballhochburg Nürnberg-Fürrh einen Nackenschlag nach dem anderen hatte einstecken müssen, fieberten alle dem End- und Revanchespiel zwischen Nürnberg und Hamburg entgegen. "Dem Titelverteidiger werden wir es zeigen", tönte man an der Noris, wo die Erinnerungen an die beiden siegerlosen Endspiele von 1922 wieder wach wurden.
Bevor sich die Fußballfans an dem Endkampf erfreuen konnten, hatten sie jedoch einen Schock zu verdauen. Unter 2 Mark 50 war kein Platz im Grunewaldstadion zu bekommen, angesichts von fast einer Million Arbeitslosen eine unverständliche Entscheidung des ausrichtenden DFB. "Unerwünschte Elemente sollen damit vom Zutritt ferngehalten werden", hieß es, denn zwei Jahre zuvor hatten HSV-Fans für einigen Ärger gesorgt. Doch ausgerechnet die Hamburger waren von der Arbeitslosigkeit am wenigsten betroffen und hatten keine Probleme, die hohen Einttittspreise zu zahlen. 30.000 Fans und 400 für die Sicherheit zuständige Schupos zählte man schließlich, als Schiedsrichter Seiler die Pattie anpfiff.
Nürnbergs Trainer hatte vor dem Anpfiff die Qual der Wahl gehabt. Mit Strobel, Wieder, Hochgesang (war vom Lokalrivalen Pfeil gekommen), Träg, Sutor und Luitpold Popp standen ihm sechs hochkarätige Stürmer zur Verfügung, auch in seligen Zeiten einer Fünf-Stürmerreihe einer zuviel. Des Rätsels Lösung war eine rechte "Doppelflanke" , gebildet aus dem kleinen Strobel und Georg Hochgesang; Luitpold Popp blieb dafür draußen.
Auf Hamburger Seite stand mit Hugo Fick ein echter Methusalem im Kader. Der gebürtige Kieler hatte schon 1912 mit Holstein Kiel im Finale gestanden und sollte den verletzten Ludwig Breuel ersetzen. Dennoch war das HSV-System empfindlich gestört, denn Läufer Hans Lang mußte nach Breuels Ausfall in die Stürmerreihe rücken und hinterließ in der HSV-Verteidigung eine Riesenlücke.
Das neutrale Berliner Publikum war auf Nürnberger Seite. An der Spree hatte man die Vorkommnisse von 1922 noch nicht vergessen, als HSV-Rowdies für viel Ärger gesorgt hatten. Auch der glanzlose 3:0-Vorjahressieg der Rothosen gegen Oberschöneweide steckte noch in ihren Köpfen. Aus Nürnberg selbst waren nicht viele Fans angereist. "Etwa 100 Nürnberger Fähnchen flatterten rechts von der Hohenzollernloge im Juniwind. Der Sonderzug fiel ins Wasser, da sich nur 130 Männeken gemeldet hatten", schrieb der 'Fußball', der außerdem von "endlosen Kolonnen von HSV-Fahnenträgern" zu berichten wußte.
Während die Norddeutschen auf den Rängen also Übergewicht hatten, war die Situation auf dem Rasen genau andersherum. Bereits in der ersten Halbzeit wurde deutlich, daß der Sieger an jenem Nachmittag nur 1. FC Nürnberg heißen konnte. In der dreißigsten Minute markierte Georg Hochgesang per wuchtigem Kopfstoß die 1:0-Führung. Beim Halbzeittee lamentierten die Weinroten, ihre zahlreichen Torchancen nicht genutzt zu haben. Heiner Träg beispielsweise hatte kutz vor dem Führungstor einen Gewaltschuß abgegeben, der nur knapp über das HSV-Gehäuse gestrichen war. Im zweiten Spielabschnitt machten die Franken dann alles klar. Obwohl Nürnbergs Gustav Bark mit einer Fußverletzung zwischenzeitlich ausgeschieden war, und Kugler damit quasi für zwei spielen mußte, kam der HSV zu keinen nennenswerten Chancen mehr. Dennoch fiel die endgültige Entscheidung erst in der 87. Minute, als Heiner Träg den nach vorne preschenden Wolfgang Strobel prächtig bediente, und jener keine Mühe hatte, nacheinander Walter Risse und Torhüter Martens auszuspielen, um den Ball locker ins Hamburger Tor zu schieben. 2:0, der 1. FC Nürnberg war Deutscher Meister! "Wohl noch nie hat ein Teilnehmer der Endrunde verdienter gewonnen, als am 9. Juni 1924 der 1. FCN! Nürnbergs Können stand unbestritten fest, und keine Minute lang kam der HSV als Favorit in Frage. Anzuerkennen ist das flache Zuspiel der Nürnberger: Das ist konsequent und jedem Mann in Fleisch und Blut übergegangen. Das stempelt Nürnberg zur deutschen Mannschaft, die sich überall in der Welt sehen lassen kann und stets in den Kreisen der Besten gefallen wird". Der 'Fußball' war voll des Lobes für den neuen Meister, der wesentlich moderatere Töne bekam, als der HSV im Vorjahr. Tatsächlich: Die Franken hatten ihren auf zahlreichen Auslandsreisen (vor allem nach Spanien und Italien) erworbenen guten Ruf bestätigt. Wichtiger aber war, daß sie Revanche für das 1922er Endspiel genommen hatten. Tausende Nürnberger erwarteten ihre Siegerelf am darauffolgenden Abend auf dem Nürnberger Hauptbahnhof, wo nach einem offiziellen Empfang durch die Stadt bis spät in die Nacht gefeiert wurde. Deutschland hatte wieder eine Ausnahmemannschaft.

(Spielbericht entnommen aus Hardy Grüne "Vom Kronprinzen bis zur Bundesliga")

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