Rund ein Viertel der Energie in Deutschland wird in privaten Haushalten verbraucht. Der größte Teil wird dabei für die Heizung der Wohnräume verwendet. Für die Energiewende ist es daher notwendig, die Energieeffizienz im Gebäudesektor zu erhöhen und verstärkt erneuerbare Energien einzusetzen. Die Fassade übernimmt als Abschluss der Gebäudehülle eine ganze Bandbreite an Funktionen. Sie dient u. a. als Witterungsschutz, stellt Wärme- und Schalldämmung sicher und bildet somit eine wichtige Voraussetzung für die Schaffung eines angenehmen Innenraumklimas. Im Projekt Fassade³ wird daher ein multifunktionales Fassadenelement mit hohem Vorfertigungsgrad für die energetische Sanierung von bestehenden Wohngebäuden entwickelt.
Bild links: 3D-Modell eines einzelnen Fassadenmoduls mit den einzelnen Schichten
Durch die Integration von organischen Photovoltaikmodulen trägt die Fassade aktiv zur Erzeugung von
regenerativen Energien bei. Gerade bei mehrgeschossigen Mehrfamilienhäusern ist das Verhältnis von Dach- zu
Fassadenfläche tendenziell geringer als bei Einfamilienhäusern. Jedoch wird bisher hauptsächlich die Dachfläche für PV
genutzt. Im Projekt Fassade³ wird nun auch die Fassadenfläche für die Energieerzeugung erschlossen. Bei der
organischen Photovoltaik handelt es sich um flexible, gedruckte Dünnschichtmodule, die als (semi-)transparente
Elemente ausgeführt werden können.
Durch den Einsatz eines regelbaren, selektiv beschichteten Sonnenschutzes soll der Wärmeeintrag im Sommer
reduziert werden. Die selektive Beschichtung verringert den Einfall von infraroter Wärmestrahlung, besitzt aber
parallel eine hohe Durchlässigkeit für sichtbares Licht. Damit soll eine Verringerung von unerwünschten solaren
Wärmeeinträgen, bei gleichzeitig hoher Nutzung von Tageslicht, erreicht werden.
Ein Dämmstoff auf Basis nachwachsender Rohstoffe soll die erforderliche Wärmedämmung sicherstellen. Hierdurch
soll die benötigte Energie für Heizen und Kühlen gesenkt werden.
In einem Feldtest soll die Praxistauglichkeit des Fassadenelements erprobt werden. Dazu wird an einem mehrgeschossigen Demonstrationsgebäude eine Musterfassade angebracht. Die Demonstrationsfassade ist nach Süden ausgerichtet mit neun dahinter befindlichen Wohneinheiten, verteilt über drei Stockwerke. Durch ein intensives Monitoring wird die Fassade sowohl als Ganzes, als auch die verschiedenen Teilelemente untersucht und bewertet werden.
Zur Nutzung von solarer Energie wird Photovoltaik in die Fassade integriert. Verwendet wird organische
Photovoltaik aus gedruckten Dünnschichtmodulen des ZAE Bayern, die im September 2019 sogar einen Weltrekord-Wirkungsgrad von 12,6% für organische PV erzielt haben. Diese können in verschieden Farben, Transparenzstufen und Formen
hergestellt werden. Dadurch sind sie im Einsatz flexibler als klassische PV-Module.
Im Projekt werden OPV-Module auf verschiedene Weisen eingesetzt. Zum einen als vertikal angebrachtes
Fassadenmodul und zum anderen in einem Glasvordach integriert. Durch die Verwendung von OPV-Streifen mit
unterschiedlichen Transparenzstufen können die Elemente optisch ansprechend gestaltet werden. Außerdem wird OPV
teilweise in den Sonnenschutz integriert.
In der Entwicklungsphase des Projekts wurde an der Technischen Hochschule Nürnberg ein OPV-Versuchsstand
aufgebaut. An ihm wurde die Funktionalität der Bauteile überprüft und Erkenntnisse im Umgang mit OPV gewonnen.
Während in einem ersten Schritt nur einzelne OPV-Module im Kleinformat verschaltet wurden, konnte die aktive
Modulfläche zunächst auf 0,5 m² und später auf 4 m² erhöht werden. Die erzeugte Energie wird mit einem
handelsüblichen Solarregler per MPP-Tracking maximiert und in einen 24 V Akku eingespeist. Zur Simulation
des Energiebedarfs eines Büroraumes ist der Versuchsstand mit einem Raumlüftungsgerät und einer mehrstufig schaltbaren LED-Beleuchtung ausgestattet, die beide mit der gewonnenen Solarenergie betrieben werden.
Die aufgebaute OPV-Fläche ist in mehrere Strings aufteilt, welche ihrerseits wieder einzelne Module unterteilt
sind. Die Module eines Stranges sind in Reihe geschaltet und besitzen je Modul eine Bypassdiode. Diese verhindert den
Ausfall des ganzen Strangs wenn einzelnen Module verschattet oder defekt sind. Die einzelnen Strings sind
parallelgeschaltet und besitzen zum Schutz vor Rückströmen Strangdioden.
Um Schwachstellen zu erkennen und auszuräumen, wurden alle OPV-Elemente im Neuzustand und nach einigen Monaten Einsatzzeit auf dem Solar-Prüfstand der Technischen Hochschule Nürnberg ausführlich vermessen. Die Ergebnisse bildeten die Basis für die Verschaltung der Module zu den Strings. Im Dauerbetrieb werden der Strom und die Spannung der einzelnen Stränge kontinuierlich erfasst, um den Energieertag zu bestimmen und das Betriebsverhalten im praxisnahen Einsatz zu bewerten. Die dazu nötige Messtechnik konnte am aufgebauten Versuchsstand bereits entwickelt und getestet werden. Ein weiteres Augenmerk lag auf der Verschaltung der einzelnen Elemente, bei der sowohl die elektrischen Parameter als auch die Berücksichtigung der Haupt-Verschattungskanten großes Optimierungspotential zeigt. Seit August 2019 befindet sich der oben gezeigte Aufbau mit mehreren Optimierungsschritten der Stringverschaltung im störungsfreien Dauerbetrieb.
Im Anschluss an die zweijährige Entwicklungs- und Planungsphase werden die Fassadenelemente in 2020 an einem Demonstrationsgebäude in Kitzingen installiert. Dabei werden die vorhandenen Fassadenmodule über die drei Stockwerke unterschiedlich kombiniert. In den unteren beiden Geschossen werden Glasvordächer mit integrierten OPV-Streifen und die Sonnenschutzrollos angebracht. Der obere Stock erhält statt Vordächern Sonnenschutzrollos, ausgestattet mit OPV. Alle Stockwerke werden an den opaken Fassadenflächen mit OPV in vertikalen Modulen ausgestattet.
Zur Bewertung des Projekterfolges und zur Weiterentwicklung des Prinzips einer modularen Fassade, wird ein
umfangreiches Monitoring an der Demonstrationsfassade durchgeführt werden. Das Raum- und Außenklima wird
erfasst um die Wirkung der Dämmstoffe zu beurteilen. Für eine qualifizierte Aussage muss hierfür der
Wärmeeintrag von Innen bekannt sein, d.h. die eingebrachte Wärmemenge durch Heizung und Stromverbrauch. Zu
diesem Zweck werden die Heizkörper mit Wärmemengezählern und die elektrische Zuleitung der einzelnen Räume mit
Stromzählern ausgestattet. Da das Projekt auch den Fokus auf dem Nutzungskomfort hat, werden im Raum, neben
der Temperatur und Feuchtigkeit, auch die Helligkeit und das Lichtspektrum gemessen. Zum Außenklima gehört
neben Temperatur und Luftfeuchtigkeit auch die solare Einstrahlung, diese wird sowohl auf dem Dach als auch
an der Fassade erfasst. Die elektrischen Betriebsdaten der in den Glasdächern eingesetzten OPV-Module werden, ähnlich wie am OPV-Versuchsstand, kontinuierlich erfasst.
Die verschiedenen Sensoren und Messgeräten übermitteln all ihre Daten zur Speicherung an eine zentrale
Datenbank auf einem Server im Keller des Gebäudes. Über einen Fernzugriff können diese Daten
abgerufen und ausgewertet werden.
Der Sonnenschutzbehang im Bereich der Fensteröffnungen soll in Abhängigkeit der solaren Einstrahlung gesteuert werden. Ziel der Regelung soll ein möglichst energieeffizienter Betrieb unter Berücksichtigung des thermischen und ggf. auch des visuellen Komforts für die Nutzer in den angrenzenden Räumen sein. Die Regelung soll im Demonstrationsgebäude implementiert und im Rahmen eines Funktionsmonitorings untersucht und ggf. angepasst werden. Hierbei soll auch erprobt werden wie gut sich eine Wettervorhersage in die Regelung integrieren lässt.