Sammeln von Pflanzen

Wer den Kamerabesitzern und Blättchenabzupfern mit Verachtung jegliche reine Genußfähigkeit abspricht, gehört zu einer Welt, die mit diesem Kapitel nichts anfangen können wird. Es gibt aber Menschen mit einem mehr oder weniger ausgeprägten Sammeltrieb, und daran ist nichts Verwerfliches. Ihnen gelten die folgenden Zeilen.


Die virtuelle Sammlung

Nicht jedem sind Ausdauer, Platz und Zeit vergönnt, ein ganzes Herbarium anzulegen. Manchen ist auch (zu Recht) der Gedanke zuwider, die letzte Orchidee zu pflücken, um sie dann als plattgedrückte und ausbleichende Trophäe vor Staubläusen und Museumskäfern schützen zu müssen.
Ein paar Anregungen, wie der Sammeltrieb anders gestillt werden kann:

Die platonische Sammlung

Wer ein Bestimmungsbuch (in diesem Fall am besten einen wissenschaftlichen Schlüssel) verwendet, kann durch kreative Markierungen am Rand hervorheben, was er bereits irgendwo in freier Wildbahn gesehen hat. Angaben über Fundort und -datum erhöhen den Wert der „Sammlung“. Die Methode tut der Natur nicht weh und nimmt - vom Buch abgesehen - keinen Platz weg. Der wahre Sammler kann ergänzend Listen führen und Statistiken über die Familienzugehörigkeit o.ä. führen ...

Die Bildersammlung

Dias, Papierbilder oder auch Bilddateien lassen sich gut sammeln. Bei der Wahl des Ablagesystems ist darauf zu achten, daß die Sammlung noch bei großem Umfang übersichtlich bleibt und ohne Probleme systematisch richtig erweitert werden kann. Raum sollte auch für weitere Bilder derselben Art oder Unterarten, Varietäten und Rassen bleiben, die unweigerlich hinzukommen werden. Die Sortiermöglichkeiten sind bei einer elektronischen Sammlung sicher am größten, auch nimmt sie am wenigsten Platz in Anspruch (vom PC abgesehen). Allerdings ist man damit wenig flexibel, wenn es etwa darum geht, die Bilder einem größeren Kreis oder gar unter freiem Himmel zu zeigen.

Beachtung verdient auch die Frage nach dem Sortierkriterium: Deutsche Namen taugen nur bedingt, da viele Namen mehrfach vergeben sind (Löwenzahn, Butterblume) oder nur regionale Gültigkeit haben (Pissenlit). Nicht jeder mag aber ein rein wissenschaftliches Alphabet anlegen, in dem er vielleicht lange nach einem Gewächs suchen muß, dessen Name ihm dann doch nicht so geläufig ist (Wer war gleich Mesembryanthemum acinaciforme? Wie heißt nochmal der Heidegünsel auf schlau?). Soll es ein Generalalphabet sein oder eine getrennte Auflistung der einzelnen Familien?

Mir persönlich erscheinen eine Vorsortierung in Familien und die Verwendung wissenschaftlicher Namen (deutsch in Klammern dahinter, das hat man notfalls schnell überflogen oder auf dem Bildschirm mit der „suche“-Funktion aufgefunden) zweckmäßig.


Familie: Lamiaceae (Lippenblütler)
Lamium amplexicaule (Stengelumfassende Taubnessel)
Lamium maculatum (Gefleckte T.)
Lamium purpureum (Purpurfarbene T.), dto: weiße Form
Rosmarinus off. (Rosmarin)
Salvia glutinosa (Kleb-Salbei)
Salvia officinalis (Echter Salbei)

Familie: Menyanthaceae (Fieberkleegewächse)
Menyanthes trifoliata (Fieberklee)

Familie: Orchidaceae (Knabenkrautgewächse, Orchideen)
Orchis pallens (Blasses Knabenkraut)
Vanilla planifolia (Echte Vanille, Bourbon-Vanille)

Tip:

Von Blättern und sogar größeren Pflanzenteilen läßt sich leicht ein schnelles Bild auf dem Scanner machen


Das klassische Herbarium

Eine Sammlung von gepreßten Pflanzen kann als ästhetischer Genuß oder auch als langweilier Stapel trockener Pflanzenleichen - und das völlig unabhängig davon, ob sie von wissenschaftlichem Wert ist.

Die Auswahl

Man sollte prinzipiell nichts pflücken, was am jeweiligen Standort selten oder gar einzig ist. Der fachkundige Sammler kann leichter einschätzen, was selten ist und was nicht - aber auch er wird nie die letzten Exemplare einer Population entfernen. Ansonsten ist alles herbarwürdig, was sich pressen oder konservieren läßt, sofern es thematisch in die Sammlung paßt. Angesichts von alleine in Deutschland ca. 3000 Arten liegt es nahe, sich auf einen Bereich zu spezialisieren. Dies kann eine Familie oder Ordnung sein, ein bestimmtes geographisches Gebiet, ein Thema wie Wasser- und Sumpfpflanzen. Man kann auch Blätter von Gehölzen herbarisieren oder sich andere, exotische Kriterien ausdenken.
Gepflückt werden in der Regel zusammenhängende Pflanzenteile, die alle wichtigen Merkmale der Pflanze zeigen. Idealerweise ist dies ein vollständiges Exemplar mit Blüte, Früchten und Wurzel. Fast nie können Blüte und Frucht gleichzeitig geerntet werden, die Wurzel ist entweder zu fest im Boden oder zu dick oder schmutzig, und spätestens bei großen Laubbäumen müssen Konzessionen gemacht werden. Manche Sammler knicken größere Pflanzen mehrfach, um sie auf Herbarformat zu bekommen, andere wählen geeignete Abschnitte.

Das Pressen

Die Pflanzenpresse ist das wichtigste Handwerkszeug.

Die Pflanze wird in möglichst natürlicher Lage zwischen Zeitungspapier (oder andere, saugfähige Bögen) gelegt und zwischen den Pappdeckeln der Presse für ein paar Wochen unter Druck gepreßt. Vor dem Einlegen müssen unbedingt die Pflanze genau bestimmt und Fundort, Datum und Name auf dem Papier notiert werden. Die Bestimmung von gepreßten Pflanzen ist ungleich schwieriger.
Die Presse kann leicht selber gebaut werden. Für den Druck sorgen wahlweise Packriemen (wie sie für outdoor-Zwecke angeboten werden) oder Schrauben mit Flügelmuttern in vier dafür an den Ecken gebohrten Löchern.

Pressen in Büchern ist nur ein Notbehelf, denn entweder öffnet man das Buch arglos vorzeitig oder öffnet es erst nach 20 Jahren wieder oder würde es gerne öffnen, obwohl es noch für zwei Wochen mit Grünzeug belegt ist. Und hinterher hat es grüne Flecken.

Das schöne Herbarium

Hier werden vor allem bunt blühende Gewächse Eingang finden, die sich ansehnlich arrangieren lassen. Die Sammluing schreit nicht nach Vollständigkeit und kann daher auf ähnliche, aber geschützte bzw. seltene Exemplare ebensogut verzichten wie auf Gewächse, die zum Pressen einfach zu dick, hart, spröde oder einfach unattraktiv erscheinen. Auch Wurzeln können gut fehlen, und auf die Form der abgefallenen Kelchblätter kommt es nicht an.
Auf eine saubere Beschriftung (Name, nach Möglichkeit auch der wissenschaftliche; Fundort und -datum gehören dazu) sollte man auch hier nicht verzichten.

r die Ablage kommen viele Varianten in Frage, die die Sammlung präsentabel und transportabel gestalten:
- Grundlage wird immer weißes Papier sein. Farbige oder gar gemusterte Bögen stören den Gesamteindruck und konkurrieren mit den Farben der Pflanzen.
- Aufkleben mit gummierten Papierstreifen (selbstklebende Streifen altern!) auf weißes Papier. Sehr schonende Methode, aber nicht gerade robust.
- Aufkleben mit Klebestift. Erfordert einiges Geschick, um die Pflanze nicht zu zerstören. Hält sehr gut und kann faszinierend aussehen, allerdings gehen die Details der Unterseite unweigerlich verloren.
- Die Herbarbögen können in einer Mappe liegen oder auch einzeln in Klarsichthüllen (Prospekthüllen). Letzteres bringt allerdings einen erheblichen Berg Plastikmüll mit sich. Außerdem müssen die Pflanzen vorher restlos trocken sein, damit nichts schimmelt.
- Von der (wegen der Unzerstörbarkeit leider häufig praktizierten) Methode, die Pflanze mit Buchfolie aufzukleben, muß gewarnt werden. Abgesehen davon, daß die Pflanze bis zur Unkenntlichkeit verpappt wird und die Sammlung zu 50% aus Plastikfolie und Klebstoff besteht, verschimmelt sie nahezu immer innerhalb kurzer Zeit.
- Statt weißer Bögen kann auch ein weißes Heft oder Buch verwendet werden, allerdings läßt sich die Reihenfolge der Sammlung hier nie mehr verändern.
- Niemals aus Sparsamkeit Pflanzen auf Vorder- und Rückseite der Heftseiten kleben - sie verhaken sich beim Umblättern oder scheuern gegeneinander und gehen schnell kaputt.

Die wissenschaftliche Sammlung

Hier finden sich aus Gründen systematischer Vollständigkeit auch Gewächse, die nicht so spektakulär aussehen, obwohl sie es für den Botaniker durchaus sein können. Die Erkennbarkeit typischer Merkmale (Fruchtform? Unterschied von Grund- und Hochblättern? Behaarung?) ist hier von großer Bedeutung. Soweit möglich, sollten alle wichtige Teile vorhanden sein - von der Wurzel bis zum Sproßende. Auf eine exakte Beschriftung kommt es hier in besonderem Maße an:

- Wissenschaftlicher Name (sinnvollerweise ergänzt durch den deutschen Namen und die Familie)
- Fundort
- Funddatum
- Hinweise auf evtl. verlorengegangene Details (Blütenfarbe, abgefallene Kelchblätter)
- Name des Finders (sofern nicht in der ganzen Sammlung einheitlich)

Die beste Ablageform ist der gefaltete Papierbogen (mindestens A3 gefaltet), in dem die Pflanze locker liegt. Alle Details können jederzeit untersucht werden. Das Problem alternder Klebstoffe besteht nicht. Solche Sammlungen überstehen Jahrhunderte. Von Nachteil ist, daß die Bögen praktisch nicht anders als waagerecht und vorsichtig transportiert werden können.

Eine behutsame Fixierung mit gummierten Papierstreifen (Tesafilm altert klebrig und dunkel und zieht ins Papier ein!) über weniger wichtigen Stengelteilen ist möglich; so eine Sammlung kann auch auf einzelnen (ungefalteten) Bögen - z.B. in einer Mappe - aufbewahrt werden.



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