Bevölkerungsentwicklung

Umrisse einer Position

A (Präambel)

Unsere Erde ist ein begrenztes Ökosystem mit begrenzter Tragfähigkeit. Diese hängt vor allem von drei Faktoren ab: der Zahl der Akteure, der Intensität deren Handelns und dem technischen Fortschritt. Dies lässt sich gut mit der IPAT-Formel beschreiben, die den Zusammenhang zwischen Konsumniveau, Ökoeffizienz und Bevölkerung beschreibt

I = P x A x T

Dabei steht I (englisch „Impact“) für die Umweltbelastung, P ist die Anzahl der Personen, A ist der Aufwand, der Konsum pro Person, T steht für die Technologie und ihre Umweltbelastung je Einheit Konsum.

Durch Effizienzsteigerungen nimmt der Faktor T kontinuierlich ab. Dies genügt jedoch bei weitem nicht, die gerade in jüngerer Zeit sprunghaft gestiegenen Faktoren P und A auszugleichen. Zum zweiten Faktor, dem Konsum pro Person, also dem ökologischen Fußabdruck, hat der BUND ein Diskussionspapier unter Federführung des Arbeitskreises Wirtschaft und Finanzen erstellt.

BUND Position Wirtschaftswachstum Diskussion 2011

http://www.bund.net/fileadmin/bundnet/publikationen/sonstiges/20111111_BUND_diskussion_wachstum.pdf

Im vorliegenden Papier soll der erste Faktor näher untersucht werden.

Das erwähnte Diskussionspapier des BUND schreibt selbst, dass „eine den Bevölkerungsrückgang unterstützende Politik langfristig ökologisch sinnvollwäre.

Weltweit ist das Bevölkerungswachstum ungleich verteilt. In den meisten
Industrieländern erfolgt nur noch ein geringes Wachstum, wenn nicht eine
leichte Schrumpfung der Bevölkerung, wohingegen besonders islamische und
afrikanische Länder hohe Wachstumsraten bis zu 4% im Jahr haben. Die
Erfahrung lehrt zwar, dass durch allgemeine Entwicklung das
Bevölkerungswachstum nachlässt, dennoch kann nicht einfach darauf
gewartet werden. Erst sollte gezielte Bildung zum Thema Verhütung zum
Beispiel zusammen mit Programmen zur Bekämpfung von Aids und
Kindersterblichkeit gefördert werden. Ungewollte Schwangerschaften darf
es nicht mehr geben. Geeignete Verhütungsmittel sollten überall
kostengünstig verfügbar sein. Hierfür sollte vorrangig Geld aus der
Entwicklungshilfe eingesetzt werden.

Die Weltbevölkerungsberichte 2009 und 2010 der UN zeigen wertvolle Ansatzpunkte einer Strategie zur Eindämmung des Bevölkerungswachstums auf.

Der Bericht 2009 nennt die Grundzüge schon im Titel: „Eine Welt im Wandel: Frauen, Bevölkerung und Klima“. Familienplanung ist zum Schutz des Weltklimas unbedingt erforderlich uns kann nur erfolgreich sein, wenn die Frauen in ihren Rechten und ihrer Bildung gestärkt werden.

Der Bericht 2010 mit dem Titel  „Krise, Frieden, Wiederaufbau: Gesellschaften im Wandel“ verweist auf die hohe Zahl ungewollter Schwangerschaften. Knapp 80 Millionen Frauen in Entwicklungsländern erfahren diese Drama, weil sie keinen Zugang zu Verhütungsmitteln haben. Dies entspricht in etwa dem jährlichen weltweiten Bevölkerungswachstum – und etwa der Gesamtbevölkerung Deutschlands.

Angesichts solcher Zahlen sind Umweltschützer aufgerufen, gemeinsam mit der an einer nachhaltigen Entwicklung der Entwicklungsländer Interessierten die Herausforderungen anzunehmen und nach Lösungen zu suchen.

A1 Geschichtliches zur Tragfähigkeit der Erde

Die Notwendigkeit, sich mit dem Problem Bevölkerungswachstum zu befassen, ist seit langem anerkannt. So führte etwa Johann P. Süßmilch bereits 1741 den Begriff der „Tragfähigkeit der Erde“ ein und legte die Grenzen bei 7 Mrd. Menschen fest, einem Vielfachen der damaligen Bevölkerungszahl.

Themas R Malthus reduzierte diese Zahl 1798 auf 1 Mrd., was nur knapp über der damaligen Bevölkerungszahl lag. Dass er – ganz im Gegensatz zu Süßmilch – Hilfe für die Armen ablehnte, da diese sonst noch mehr Kinder zeugten (eine von der modernen Bevölkerungswissenschaft längst widerlegte These), zeigt die dem Thema stets innewohnende politische Brisanz.

Informationen zur politischen Bildung 282

http://www.bpb.de/izpb/55877/bevoelkerungsentwicklung

Die Grenzen des Wachstums“, vorgelegt 1972 vom Club of Rome, verdeutlichten einer breiten Öffentlichkeit die Gefahren eines sorglosen „Weiter-so-Wirtschaftens“ und bewirkten ein rasches Erstarken der Umweltbewegung.

Die Grenzen des Wachstums : Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit / Dennis Meadows .. ISBN3-421-026335

Die internationale Politik diskutierte in drei Weltbevölkerungskonferenzen weltweit Ursachen und Lösungen: 1974 in Bukarest, 1984 in Mexiko und 1994 in Kairo.

Die Agenda 21-Konferenz in Rio 1992 erkannte „zwischen demographischen Trends und Faktoren und nachhaltiger Entwicklung ... eine synergistische Beziehung“ und formulierte: „Die wachsende Weltbevölkerung und der Anstieg der Weltproduktion im Verbund mit nicht nachhaltigen Verbrauchsmustern setzt die Lebenserhaltungskapazität unseres Planeten einer immer größeren Belastung aus.“

http://www.agenda21-treffpunkt.de/archiv/ag21dok/kap05.htm

Daneben befassen sich die alljährlichen Weltbevölkerungsberichte der UNFPA mit der dramatischen Entwicklung. NGOs wie die Stiftung Weltbevölkerung, die Welthungerhilfe und das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung haben die Brisanz längst wahrgenommen.

Viele Umweltorganisationen allerdings greifen diese Erkenntnisse nur sehr zögerlich auf. Der BUND hat immerhin schon einige bemerkenswerte Ansätze vollbracht. Auf der BDV 2010 gelangte der Workshop Flächenkonkurrenz (Natur ohne Fläche) zur Erkenntnis: „Die Flächenkonkurrenz führt im Internationalen Rahmen absehbar zu schwerwiegenden Problemen, die durch weiteres Bevölkerungswachstum noch verschärft werden.“

http://www.bund.net/index.php?eID=tx_nawsecuredl&u=40597&file=fileadmin/bund-intern.net/bundesverband/pdf-und-vorlagen/verbandsleben/verband-gremien/bdv/bdv10/beschluesse/workshopergebnisse-2010.pdf&t=1357603216&hash=fad458aada43d686b5ec58e987e8bdc8d62e9c38

(Achtung: nur interner Bereich!)

Auf der BUND-DV 2011 wurde ein Beschluss zur Verlängerung des Klimaschwerpunktes (ÄA001/2) gefasst, in dem gefordert wird, die „Auswirkungen von Lebensstil, Ressourcenverbrauch, Bevölkerungsentwicklung .. auf das Klima“ aufzuzeigen „und im BUND stärker“ zu „vernetzen.“

http://www.bund.net/index.php?eID=tx_nawsecuredl&u=40597&file=fileadmin/bund-intern.net/bundesverband/pdf-und-vorlagen/verbandsleben/verband-gremien/bdv/bdv12/120829_bund_bdv2012-protokollheftBDV2011.pdf&t=1357600998&hash=7a9b76f0556253570d49d96f4a938ce366be6b55

(Achtung: nur interner Bereich!)

In der Studie „Ohne Maß und Ziel“ des FoE Europe findet sich der Satz: „Durch das Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum sowie den Anstieg des Wohlstands steigt auch der Konsum an natürlichen Ressourcen.“

http://www.bund.net/fileadmin/bundnet/publikationen/nachhaltigkeit/20090915_nachhaltigkeit_ressourcenbericht_ohne_mass_und_ziel_foee.pdf


B Daten des rasanten Wachstums

Am 31. Oktober 2011 überschritt die Weltbevölkerung offiziell die Schwelle von 7 Mrd. Menschen. Das rapide Wachstum der Weltbevölkerung ist ein relativ junges Phänomen. Vor 2000 Jahren lebten rund 300 Millionen Menschen auf der Erde. Die Verdoppelung erfolgte in immer kürzeren Zeitabständen. Jährlich steigt sie derzeit um ca. 80 Mio., was etwa der Einwohnerzahl Deutschlands entspricht.
Statistisches Bundesamt,
https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/zdw/2011/PD11_044_p002.html

http://neuro.biologie.uni-freiburg.de/Skriptum/Gentechnik/Bev.entwicklung.gif

Zu über 80 % entsteht der Zuwachs in den Entwicklungsländern Asiens und Afrikas.
Für die Bevölkerungsentwicklung stellen die Vereinten Nationen zwei wesentliche Faktoren heraus: Die Geburtenraten – vor allem in den Staaten Afrikas und Asiens – bleiben weiterhin hoch. Dies spiegelt sich auch in einem hohen Anteil junger Menschen wider: Insgesamt liegt der Anteil der unter 25-Jährigen derzeit bei 43 % der Weltbevölkerung. Gleichzeitig steigt die Lebenserwartung kontinuierlich: Sie liegt bei Geburt inzwischen weltweit bei durchschnittlich 68 Jahren. Das führt zu einer wachsenden Zahl älterer Menschen.“

(Statistisches Bundesamt (Destatis))

Quelle: Bevölkerungsabteilung der Vereinten Nationen

Weltbevölkerungsbericht 2011

Wir stehen heute am Scheideweg der unterschiedlichen Szenarien. Dies zeigt die nächste Graphik.

Die mittlere oder gar die niedrige Projektion zu erreichen wird kein automatischer Selbstläufer sein. Es bedarf dazu erheblicher Anstrengungen.

Eine weitere Zahl mag die Notwendigkeit charakterisieren. Im Jahr 2010 betrug der Zuwachs der Weltbevölkerung ca. 80 Mio./a, was in etwa der jährlichen Zahl ungewollter Schwangerschaften entspricht.

Nürnberger Nachrichten, 21. 10. 2010, „Ungewollt schwanger“

C Probleme

C1 Ressourcenverbrauch

Das weltweite Bevölkerungswachstum zieht erhebliche Probleme nach sich. Mit dem steigenden Ressourcenverbrauch stoßen wir schneller an die Grenzen des Wachstums.

Für den Natur- und Artenschutz, als dessen Wahrer sich der BUND empfindet, ist der Flächenverbrauch fundamental. Die landwirtschaftliche Nutzfläche (LNF), die jedem Erdenbürger zur Verfügung steht, ist bereits rapid gesunken.

Die verbliebene LNF muss noch intensiver genutzt werden, um die Ernährung und die steigenden Ansprüche zu decken. So muss mehr Land bewässert werden, was die ökologischen Probleme aufgrund von Versalzung oder den Bau von Staudämmen und die Regulierung von Flüssen, die wirtschaftlichen Probleme aufgrund teuerer Investitionen oder die sozialen Probleme aufgrund ungleicher Verteilung des Wassers zwischen den verschiedenen Nutzern verstärkt.

Hochertragssorten, die vermehrt  ausgesät werden, bedingen erhöhten Düngereinsatz, oft mit den bekannten ökologischen Schäden für Boden,  Grundwasser und Artenvielfalt. Um noch größere Mengen pro Flächeneinheit produzieren zu können, besteht die Gefahr, dass die Agrogentechnik  stärker als Lösung des Hungerproblems propagiert wird.

Viele Böden sind bereits degradiert. Die Ernährungslage hat sich in vielen Regionen schon dramatisch verschlechtert. „Bei der Nahrungsmittelproduktion pro Kopf haben wir den Höhepunkt schon in den 90er Jahren überschritten. Beim Wasser noch nicht, aber es wird bald soweit sein. Schon jetzt haben wir viele Wasserreservoirs geplündert“. (Meadows-Interview 2012, http://www.walkiw.de/ueberbevoelkerung/grenzen-des-wachstums)

Die dramatischen Folgen für die Welternährung schildert Lester Brown, derzeitiger Präsident des Earth Policy Institute, am Beispiel Chinas. Hoher Bevölkerungszuwachs, steigender Wohlstand mit einhergehender Nachfrage nach höherwertigen Produkten sowie Degradation durch Übernutzung und Desertifikation zwang das Mutterland der Sojabohne zum Import riesiger Mengen von Soja. Die USA, Brasilien und Argentinien, die größten Sojabohnen-Produzenten, liefern inzwischen mehr als 80 Prozent der weltweiten Ernte und fast 90 Prozent des Sojabohnenexports. Fast 60 Prozent der weltweiten Soja-Exporte gehen nach China.

http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2011/03/11/AR2011031106993.html

Die Wälder, vor allem die wegen ihres Artenreichtums höchstwertigen  tropischen Regenwälder, drohen zu verschwinden. Trotz der Großprojekte wie Palmöl- und Sojaplantagen, sowie Rinderzucht ist die Hauptursache nach wie vor Brandrodung, sicherlich teilweise bedingt durch Verdrängung aus angestammten Gebieten durch Großgrundbesitzer, hauptsächlich aber durch den enormen Bevölkerungsdruck. In immer kürzeren Zeitabständen werden Wälder wiederkehrend gerodet. So haben sie keine Chance mehr, sich zu regenerieren.

Der Energiehunger bedarf keiner näheren Erläuterung. Es ist völlig illusorisch zu glauben, er ließe sich in absehbarer Zeit durch regenerative Energien decken.

Ähnliches gilt für die wachsende Gier nach Rohstoffen. Neben Umweltfolgen durch den Abbau und die Verarbeitung erkennen wir schon die Endlichkeit der Vorräte, etwa des Düngemittels Phosphat.

C2 Umweltauswirkungen


900 Mio. Menschen hungern heute auf unserer Erde.

http://www.weltagrarbericht.de/

Sicherlich ist dies nicht allein der dramatisch gestiegenen Zahl der Erdenbürger geschuldet. Wenn heute ein Mensch verhungern muss, hat dies in erster Linie politische, ökonomische und soziale Gründe. Die Pille allein macht nicht satt. Die produzierten Nahrungsmittel reichten, je nach Art unseres Konsums, vielleicht noch für uns alle aus (die Aussagen der Wissenschaftler klaffen hier auseinander), wären sie denn für jedermann verfügbar und erschwinglich. Kriege, politische Instabilität, falsche Verteilung von Land und Kaufkraft, Vernachlässigung der Landwirtschaft, Förderung der cash-crops, Landgrabbing und Fleischhunger verhindern das Sattwerden Vieler.

(Leserbief Günther Raß, 7. 6. 1984, Nürnberger Nachrichten)

Davon soll die Diskussion um die Bevölkerungszunahme nicht ablenken. Wir müssen uns jedoch deren gravierenden Auswirkungen auf die Umwelt bewusst sein.

Selbstredend ist die Umweltbelastung von der Zahl der Menschen abhängig (siehe IPAT-Formel).


Im weltweiten Focus steht seit vielen Jahren das Klimaproblem. Wegen  veränderter Konsumgewohnheiten und wachsender Bevölkerung werden die klimaschädlichen Gase weiter steigen.

(giz Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, E+Z Jg.52.2011:10 nach DB Research: Mitigating climate change through agriculture)

Dies vermerkt auch der Weltbevölkerungsbericht 2009:  „Angesichts der Vielzahl der Faktoren, die die Zunahmen des CO2-Ausstoßes bewirken, fällt es schwer, den genauen Beitrag des Bevölkerungswachstums zu quantifizieren. Dennoch ist die demographische Entwicklung zweifelsohne ein Faktor, der sich sowohl in den Industrie- als auch den Entwicklungsländern auf die Gesamtemissionen auswirkt.“ Der Weltklimarat verwies bereits in seinem 4. Sachstandsbericht 2007 darauf, „dass das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf und das Bevölkerungswachstum die hauptsächlichen Triebkräfte für das Wachstum der weltweiten Emissionen in den letzten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts waren.

UNFPA-Weltbevölkerungsbericht 2009. Eine Welt im Wandel: Frauen, Bevölkerung und Klima. Hrsg. Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW), Hannover, 2009

Die Artenvielfalt ist uns Naturschützern ein zentrales Anliegen. Leider sinkt sie auch durch menschlichen Populationsdruck. Als Beispiel mag der Äthiopische Wolf stehen. Mit ca. 500 Tieren ist er eine der am stärksten bedrohte Wildhundart. „Natürliche Feinde hat der Äthiopische Wolf nach dem Verschwinden der Leoparden keine mehr - und doch ist er so gefährdet wie nie zuvor. Die rapide wachsende Bevölkerung lässt durch extensive landwirtschaftliche Nutzung der Böden immer mehr ausgezehrte Flächen zurück und dringt bis in die Hochgebiete des Landes vor - und in den Lebensraum des Wolfes ein. Mit den Menschen kamen die domestizierten Haushunde, die durch Bastardisierung und Übertragung der Tollwut um die Jahrtausendwende rund drei Viertel der Gesamtpopulation dahinrafften.“

Zoologische Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz,

http://www.zgap.de/AethiopischerWolf.html

Naturschutzgebiete und Nationalparks werden marginalisiert. Der Druck gerade in ärmeren und politisch instabilen Ländern, sich Land und Siedlungsraum in scheinbar „wertlosen“ Naturräumen anzueignen, ist schon deutlich spürbar.

In vielen abgelegenen und unentwickelten Ländern gibt es stellenweise noch echte Naturlandschaft. Diese letzten Reste werden durch die Ausweitung der menschlichen Einflussnahme zunehmend bedroht. 2008 wurden die letzten Exemplare der nördlichen Unterart des Breitmaulnashorns von der Lords Resistance Army getötet. Ursache hierfür sind kriegerische Auseinandersetzungen, die es zwar früher auch immer wieder gab, die aber durch die Überbevölkerung verschärft werden. Beispiel Ruanda: Das Land war bereits vor den Massakern 1994 dichter besiedelt als Deutschland. Als dann die in Uganda erstarkten, ehemals aus dem Land geflohenen  Tutsi Anspruch erhoben, wieder nach Ruanda zurückkehren zu dürfen, teilte ihnen die Regierung mit, es sei kein Platz mehr dort. Daraufhin griffen die Tutsi Ruanda an. Danach folgten Massaker auf beiden Seiten. Nach der Eroberung hatten die Tutsi nichts Eiligeres zu tun, als den Naturwald von Gishwati und einen Teil des Akagera Nationalparks für Rinderhirten freizugeben, mit entsprechenden Folgen für die dort lebenden Arten.

Wir dürfen allerdings nicht nur mit dem Finger auf andere zeigen. Unser aus Naturgesichtspunkten für seinen gelebten Wohlstand überbevölkertes Deutschland kann sich seine Wälder und Trockenrasen auch nur leisten, weil ein Großteil der Nahrungs- und Futtermittel eingeführt wird.

Abwässer und Abfälle verschlechtern die Lebensqualität von Millionen Menschen.

Familienplanung ist folglich auch als Umweltschutzmaßnahme zu sehen.

C3 Konflikte

Ressourcenmangel wird viele Konflikte befördern oder auslösen. Am Beispiel Wasser, unserer Lebensgrundlage, mag das deutlich werden. Weltweit kann das Angebot mit der Nachfrage nicht mehr Schritt halten.

(Klaus M. Leisinger, Die sechste Milliarde : Weltbevölkerung und nachhaltige Entwicklung /. Leisinger, Beck, 1999, S.116 ff)

Die Armen haben das Nachsehen, wenn etwa Großgrundbesitzer im Verbund mit internationalen Konzernen zum Zwecke des cash-crop-Anbaus das Wasser für sich beanspruchen. Man denke nur an die Blumen aus Kenia.

Rosenzüchter und Massai streiten ums Wasser, greenpeace magazin 2.08, http://www.greenpeace-magazin.de/magazin/archiv/2-08/

Die städtische Bevölkerung, die stets für herrschende Eliten die größte potentielle Bedrohung ist, muss auf Kosten der Landbevölkerung zuerst versorgt werden. Hinzu kommt steigender Bedarf der Industrie, was Landflucht mit extremen sozialen Problemen bedeutet.

Die heutige Generation lebt auf Kosten der künftigen. Das Grundwasser, etwa im Punjab, in Nordafrika und im mittleren Osten droht so weit abzusinken, dass für die Mehrzahl der Bauern künftig nur noch Regenfeldbau möglich sein wird, was wesentlich geringere Ernten zur Folge haben wird, da keine Hochertragssorten mehr angebaut werden können.

Bereits heute lassen sich Konflikte zwischen Staaten nicht mehr leugnen. So ist das Beharren Israels auf die Golanhöhen und weite Teile Palästinas auch durch den Zugriff auf das Wasser des Yarmuk und des Jordans erklärbar. Ägypten hängt völlig am Tropf des Nils und sorgt sich, dass die Nilanrainer am Oberlauf den Hahn drosseln könnten. Die Bevölkerung Äthiopiens, also des Landes, das 85 % des Wassers im Oberlauf des Nils kontrolliert, wird voraussichtlich von 83 Mio. auf 183 Mio. anwachsen. Ähnliches droht an Euphrat und Tigris, Mekong oder Indus, alles Regionen mit extrem steigender Bevölkerung.

Konflikte zwischen Ethnien, wie in Ruanda, die zum Ausbrechen eines Völkermordes führten, sind nicht nur kulturell, durch politische Fehlsteuerung des Hasses oder durch die Kolonialgeschichte erklärbar. Ruanda, das am dichtesten bevölkerte Land Afrikas, ist gemessen an der heutigen Ertragskraft des Landes deutlich übervölkert. Die Wälder sind vernichtet, Dürren sind die Folge.

Lester R. Brown, Plan B 3.0: Mobilizing to Save Civilization New York: WW Norton & Company, 2008,  http://www.earth-policy.org/book_bytes/2009/pb3ch06_ss5

In Nigeria, dem volkreichsten Land Afrikas mit weiter rasant wachsender Bevölkerung, tobt schon lange ein Kampf zwischen Nomaden und Bauern, was hier zugleich einen Kampf zwischen Muslimen und Christen bedeutet. Leicht kann dieser zu einem Religionskrieg entzündet werden, sobald es interessierten Machthabern nützt.

Ähnliches gilt für den Sudan, wo zwar, wie in Nigeria, Ölvorkommen und politisches Einmischen, hier aus China, „Öl“ in´s Feuer gegossen haben, wegen des Drucks der Bevölkerungszunahme jedoch leicht die Massen aufgewiegelt werden können. Sudans Bevölkerung stieg von 9 Millionen im Jahr 1950 auf 39 Millionen im Jahr 2007. Die gesamte semiaride Region der Sahelzone vom Senegal im Westen bis Somalia im Osten mit einer der weltweit am schnellsten wachsenden Bevölkerung ist instabil. Grünland wird zur Wüste. Das Vieh hat sich von weniger als 7 Mio. auf 40 Mio. fast versechsfacht. Die Zahl der Schafe und Ziegen explodierte von weniger als 14 Mio. auf 113 Mio., eine Verachtfachung. Keine Wiesen können dies aushalten. Wegen dieser Überweidung drängen arabische Nomaden ins Bauernland der schwarzen Bevölkerung. Im Darfur eskalierte die Lage seit 2003 bis hin zum Massenmord an schwarzen Sudanesen. Jüngstes Beispiel ist Mali, wo die derzeitige Regierung keine Kontrolle mehr über mehr als die Hälfte des Landes hat.

Afrika ist nicht allein. In Indien ist die Spannung zwischen Hindus und Muslimen immer latent. Wegen der weit verbreiteten Realteilung bereits kleiner Parzellen auf die Kinder ist der Druck auf das Land sehr intensiv. Der Druck auf die Ressource Wasser ist noch größer. In Indien wächst die Bevölkerung voraussichtlich von 1,2 Milliarden im Jahr 2007 auf 1,7 Milliarden im Jahr 2050. Die Gefahr von sozialen Konflikten, die Ruanda in den Schatten stellen würden, ist riesig.

C4

Landgrabbing ist als Problem vom AKIU und vielen politisch Interessierten längst anerkannt. Länder, die gemessen an ihrem Verbrauch an Ressourcen heute schon übervölkert sind, wie etliche Industrieländer, Schwellenländer wie China und Ölstaaten des Nahen Ostens, nutzen ihre Kaufkraft, um weite Gebiete in Entwicklungsländern aufzukaufen. Dort wird das Land der heimischen, stark wachsenden Bevölkerung fehlen. Die sozialen Verwerfungen sind dramatisch.

C5

Soziale Konflikte durch werden sich auch durch die Verteuerung der Ressourcen ergeben. Die Hungerrevolten aufgrund gestiegener Preise für Nahrungsmittel in 2008 waren ein Menetekel.

C6

Es werden schon Stimmen lauter, die vor Gefahren durch Diktaturen warnen. Um der drohenden Revolten und Konflikte Herr zu werden, sind Regierende versucht, sich mit übergesetzlichen Vollmachten auszustatten. „Wenn Sie nicht realistisch sind, wird die Demokratie verschwinden. Selbst in den USA ist das möglich. Plötzlich dürfen wir US-Staatsbürger im Jemen töten. Das Gesetz sagt zwar etwas anderes, aber wir bestimmen einfach: Das Gesetz gilt nicht. Wenn Menschen zwischen Ordnung und Freiheit wählen müssen, entscheiden sie sich immer für Ordnung. Das ist kulturübergreifend so, in Deutschland, Russland, Amerika. Das haben sie nach dem 11. September gesehen, als wir viele Freiheiten aufgaben.“

(Meadows-Interview 2012, http://www.walkiw.de/ueberbevoelkerung/grenzen-des-wachstums)

D Lösungen

Vorschläge, das globale Bevölkerungswachstum einzudämmen, liegen schon lange auf dem Tisch. Diverse Bevölkerungskonferenzen haben sich mit dem Problem befasst. In Belgrad 1965 verkündete US-Präsident Johnson, 5 $ für Familienplanung seien genauso wirkungsvoll wie 100 $ für Entwicklungshilfe. In Bukarest 1974, zum ersten Mal mit offizieller Beteiligung von Regierungen, proklamierte man wirtschaftliche Entwicklung als beste Familienplanung. Wie dies gerade die ärmsten und vom Bevölkerungswachstum am stärksten betroffenen Länder schaffen sollten, blieb offen. Zudem blieb die Konferenz wirkungslos, da sich China mit seiner These durchsetzen konnte, „Bevölkerungspolitik sei ausschließlich eine nationale Angelegenheit.“

Günter Witzsch: Von Rio nach Kyoto, Schriften des Fachbereichs Sozialwesen der Fachhochschule Münster

In Mexiko 1984 hofften viele, allen voran die USA, der Markt würde es lösen. Kairo rückte 1994 endlich die Frauen in den Fokus. Es hieß nicht mehr, Entwicklung sei die beste Pille, sondern die Stärkung der körperlichen Unversehrtheit, der wirtschaftlichen Unabhängigkeit und der Bildung der Frauen sei vordringlich.

Nun ist es an der Zeit, das Aktionsprogramm von Kairo 1994 umsetzen. „In einem weit reichenden Aktionsplan setzte sich die internationale Staatengemeinschaft das Ziel, jedem Menschen bis zum Jahr 2015 Zugang zu Aufklärung und Familienplanung, zum Schutz vor HIV/Aids sowie zu Gesundheitsfürsorge rund um Schwangerschaft und Geburt zu gewährleisten. Außerdem wurde festgelegt, dass jedes Paar das Recht haben soll, frei zu entscheiden, wann und wie viele Kinder es haben möchte. Damit einher ging die Forderung nach einer Verbesserung des gesellschaftlichen Status’ der Frau. Ihre Gleichberechtigung, Bildung und wirtschaftliche Unabhängigkeit wurden als zentrale Voraussetzungen für die Umsetzung des Kairoer Aktionsprogramms hervorgehoben.“

Infoblatt der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung,

http://www.weltbevoelkerung.de/uploads/tx_tspagefileshortcut/infoblatt-kairo_15.pdf

2000 verabschiedete die UNO die Millennium-Entwicklungsziele, die bis 2015 verwirklicht sein sollen. Die meisten Ziele betreffen Bevölkerungs- und Gesundheitsfragen und Stärkung der Frauen. http://www.unric.org/html/german/mdg/index.html

Fertilität – die Zahl der Kinder pro Frau – ist die Grundlage für die Vorhersage von Bevölkerungswachstum oder -rückgang. Ob Frauen keine, wenige oder viele Kinder haben, sagt aber auch etwas über ihre Lebensqualität aus. Denn mit diesem Indikator sind Faktoren wie Gesundheit, Bildung, wirtschaftliche Chancen und Gleichberechtigung verknüpft. Auch das Recht jeder Frau, selbst und ohne Druck durch ihren Partner, ihre Familie, die Gemeinschaft oder die staatliche Politik darüber zu entscheiden, wann und in welchen Abständen sie Kinder bekommen möchte, spielt für die Fertilität eine Rolle.“

Weltbevölkerungsbericht 2011

D1

Betrachtet man die Ursachen der hohen Geburten- und Bevölkerungswachstumsraten, so lassen sich verschiedene Ansätze unterscheiden:

·         Für Länder, in denen die Zahl der ungeplanten Geburten hoch ist, wurde die klassische Familienplanungspolitik konzipiert. Ihre Mittel sind unter anderem Sexualaufklärung, Basis-Gesundheitsversorgung für Mütter und Kinder sowie die flächendeckende Versorgung mit empfängnisverhütenden Mitteln.

·         Staaten, in denen die Eltern viele Kinder planen und aktiv anstreben, um die hohe Säuglings- und Kindersterblichkeit zu kompensieren, benötigen eher eine gesundheitsorientierte Entwicklungspolitik, vor allem Maßnahmen zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten von Müttern, Säuglingen und Kindern sowie solche zur Verbesserung der allgemeinen Hygiene.

·         Wenn eine hohe Kinderzahl aus ökonomischen und sozialen Gründen angestrebt wird, weil Kinder von den Eltern als Arbeitskräfte in der Landwirtschaft oder als familienbasiertes Sozialversicherungssystem benötigt werden, sind die Maßnahmen der klassischen Entwicklungspolitik besonders wichtig, vor allem die Bildungspolitik, insbesondere für Mädchen, die Wirtschaftspolitik und die Politik der Gleichstellung der Geschlechter auf allen Gebieten des Lebens.“

Informationen zur politischen Bildung 282,  http://www.bpb.de/izpb/55932/internationale-bevoelkerungspolitik?p=1

Hilfreich kann es sein, Gutscheine für die Gesundheitsleistungen auszugeben, wie es etwa in Kenia versuchsweise praktiziert wird.
(giz Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit: E+Z, Jg.52.2001:5)

Die Notwendigkeit, den Frauen zu helfen, wird klar, wenn man weiß, dass

weltweit die Zahl der Frauen, die eine Schwangerschaft verhindern möchten, aber keine wirksame Verhütungsmethode praktizieren, auf 220 Millionen geschätzt wird.

Weltbevölkerungsbericht 2012

Dies kann nur gelingen, wenn der Zugang zu Verhütungsmitteln unter Einbeziehung der Männer geschieht. Die Methoden müssen sich an der Bedürfnissen der Frauen orientieren, wenn sie langfristig erfolgreich sein wollen. So haben sich in einigen Ländern Verhütungsmethoden als gewünscht und wirksam erwiesen, die in Industrieländern wenig beachtet werden, wie etwa die Drei-Monatsspritze und Verhütungsstäbchen im Arm von Frauen. Werden Methoden behutsam eingeführt, legen sich auch manche Vorurteile, dass etwa Verhütung nur etwas für Prostituierte sei.

(Nürnberger Zeitung, 19. 8. 2011)

Verhütungsmittel sollten möglichst kostenlos abgegeben werden. So sinkt die Hemmschwelle noch weiter, diese zu benutzen.

Ohnehin bringt Familienplanung bei geringen Kosten hohen Nutzen. Bei allen Schwierigkeiten der Berechnung gehen Schätzungen davon aus, dass es nicht einmal 3 $ pro Kopf und Jahr kosten würde, den 220 Mio. Frauen, die noch ungedeckten Bedarf an Verhütungsmitteln haben, diese zur Verfügung zu stellen.

Weltbevölkerungsbericht 2012

Der Nutzen läge weit darüber, da durch gleichzeitige Gesundheitsvorsorge erhebliche Kosten eingespart werden könnten. Es gibt diverse Schätzungen dazu: Jeder Dollar für die Familienplanung erspare 2 bis 6 Dollar Ausgaben für Gesundheit, Bildung und Umweltschutz.

(giz Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, E+Z Jg5220113 nach http://www.un.org/en/ecosoc)

Wirksame Empfängnisverhütung stellt die kostengünstigste Investition eines Landes in seine Zukunft dar. Jeder in Familienplanung investierte Euro, spart bis zu fünf Euro bei öffentlichen Ausgaben, wie Gesundheitsvorsorge, Wohnen und Wasser ein.“

VENRO, http://www.deine-stimme-gegen-armut.de/politik-aktuell/deine-stimme-informiert/ausgabe-07-2012.html

Um 1 Tonne CO2 einzusparen, kann man 7 $ für Familienplanungsprogramme ausgeben oder 32 $ für Einsparungstechnologien.

http://www.triplepundit.com/2009/09/study-finds-family-planning-cheapest-way-to-prevent-climate-change/

Leider ist die finanzielle Unterstützung der Familienplanungsprogramme stetig gesunken. In dem 1994 auf der Weltbevölkerungskonferenz von

Kairo beschlossenen Aktionsprogramm wurden die  internationalen Geber aufgerufen, ein Drittel der Kosten für die sexuelle und reproduktive Gesundheit einschließlich Familienplanung in den Entwicklungsländern zu

übernehmen. Die restlichen zwei Drittel sollten von  den Empfängerländern selbst aufgebracht werden. Entwicklungs­ wie Geberländer haben diese Vorgaben

nicht erfüllt. Nach den Vereinbarungen hätten die Geberländer im Jahr 2010 1,32 Milliarden US­Dollar aufbringen müssen. Tatsächlich geleistet haben sie aber nur einen Beitrag von 822 Millionen US­Dollar, also knapp zwei Drittel des Zielbetrags

Weltbevölkerungsbericht 2012

Die Geberländer müssen dringend mehr Finanzmittel bereitstellen. Um den bestehenden Bedarf an Familienplanung und an Gesundheitsfürsorge für Mütter und Neugeborene zu decken, müssten 24,6 Milliarden US-Dollar jährlich investiert werden – nahezu das Doppelte dessen, was derzeit zur Verfügung steht. Damit könnte die Müttersterblichkeit in Entwicklungsländern um 70 Prozent und die Säuglingssterblichkeit um 50 Prozent gesenkt werden.

Infoblatt-Millennium-Entwicklungsziele, http://www.weltbevoelkerung.de/uploads/tx_tspagefileshortcut/infoblatt-srgr.pdf

In die Bresche springen wollen einige private Stiftungen, wie z. B. die Bill & Melinda Gates Foundation, die mit 560 Mio. Dollar die Familienplanung fördern will und am 11. Juli 2012, dem internationalen Weltbevölkerungstag, einen Familienplanungsgipfel in London ausgerichtet hat.

http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/gates-stiftung-gibt-570-millionen-dollar-fuer-mehr-verhuetung-in-afrika-a-843990.html

Erfreulich ist die Meldung eines Abkommens aus 2012 unter Federführung des amerikanischen Ex-Präsidenten Bill Clinton (Ja , der! Oralsex gilt ja nicht als solcher, da er nicht zur Zeugung unerwünschter Erdenbürger führt J, Anmerkung des Verfassers), mit dem sich die Preise für Empfängnisverhütungsmittel mit Langzeitwirkung für 27 Millionen Frauen in Entwicklungsländern halbieren werden. Die Einigung werden fast 30 Millionen ungewollte Schwangerschaften und geschätzte 250 Millionen Dollar (rund 194 Millionen Euro) an Gesundheitskosten vermeiden helfen, teilten Clinton, der norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg und der nigerianische Präsident Goodluck Jonathan am Rande der UN-Vollversammlung in einer gemeinsamen Erklärung mit.“

http://de.nachrichten.yahoo.com/bill-clinton-verk%C3%BCndet-ehrgeiziges-abkommen-zu-geburtenkontrolle-072911340.html

D2

Unverzichtbar ist eine höhere Bildung. Die indirekte Proportionalität zwischen Bildungsgrad und Geburtenraten (Fertilität) zeigt die folgende Tabelle.

Lester R. Brown, Full Planet, Empty Plates: The New Geopolitics of Food Scarcity

http://www.earth-policy.org/?/data_center/C21/

Entscheidend ist vor allem die Bildung der Mädchen in Sekundarschulen. Längere Schulzeit bedeutet oft spätere Heirat und folglich verkürzte Gebärzeiten.

Studie „Afrikas demografische Herausforderung“: http://www.berlin-institut.org/publikationen/studien/afrikas-demografische-herausforderung.html

In Indien heiraten 47 % aller Mädchen, ehe sie volljährig sind. Ein Grund ist, dass die Braut, je jünger sie ist, umso weniger Mitgift von ihren Eltern benötigt.

(Die Zeit, 3. 1. 2013, S. 5

Es sei denn, sie ist gebildet. Dann steigt ihr Wert und es muss ihr weniger mitgegeben werden. (Video Arte)

Für die Aufklärung ist die Ausbildung von Multiplikatoren entscheidend, was den Zugang vor Ort erleichtert. Bewährt hat sich der Einsatz von Frauen für Frauen und junger Leute für die Jugend.

Youth to Youth, http://www.weltbevoelkerung.de/uploads/tx_tspagefileshortcut/infoblatt-jugendliche-srgr.pdf

Der Zugang von Frauen zu reproduktiver Gesundheitsfürsorge

korreliert häufig mit dem relativen Niveau ihres sozialen und ökonomischen Status Weltbevölkerungsbericht 2010)

Familienplanung kann den Tod von einer Million Kindern pro Jahr verhindern. In Afrika sterben 68.000 Frauen pro Jahr an unsicheren Schwangerschaftsabbrüchen, weil ihr Bedarf [an Familienplanung] nicht gedeckt wird. Also warum verteilt man keine Verhütungsmittel?“
Gamal Serour der Leiter des internationalen islamischen Zentrums für Bevölkerungswissenschaften an der Al­Azhar­Universität in Kairo,
aus dem Weltbevölkerungsbericht 2011

Als Beispiel mag das vielhunderttausendfache Leid der an Scheidenfisteln erkrankten Mädchen stehen. Zu frühe Schwangerschaften führen zu schlimmen Verletzungen bei der Geburt, da das Becken oft noch zu eng ist.

http://www.weltbevoelkerung.de/informieren/unsere-themen/maedchen-foerdern/mehr-zum-thema/scheidenfisteln.html

 

D3

Staatliche Regelungen können unterstützen. Die Volksrepublik China hat sich jahrzehntelang erfolgreich um die Ein-Kind-Familie bemüht. Allerdings war Freiwilligkeit nicht immer gegeben. Zwangssterilisationen, wie es sie etwa in Indien gab, sind klar abzulehnen. Der derzeitige Präsident Nigerias, Goodluck Jonathan, propagiert nun eine Drei-Kinder-Politik, was ein riesiger Fortschritt in dem bevölkerungsreichsten Land Afrikas wäre.

http://www.eufrika.org/wordpress/2011/05/drei-kinder-politik-soll-nigerias-bevolkerungswachstum-drosseln/

Sanfte Maßnahmen, wie die Verpflichtung der Menschen, an Aufklärungsveranstaltungen teilzunehmen, können motivieren, müssen aber stets in Verbindung mit Entwicklungshilfemaßnahmen stehen.

D4

Leider wollen einige Religionsgemeinschaften die Notwendigkeit von Familienplanung nicht einsehen, ja boykottieren sogar Ansätze, wie sie in Kairo diskutiert wurden. Der Vatikan und einige islamische Staaten taten sich hier unrühmlich hervor.

Günter Witzsch: Von Rio nach Kyoto, Schriften des Fachbereichs Sozialwesen der Fachhochschule Münster

In den Philippinen konnte Ende 2012 das Gesetz über "Verantwortliche Elternschaft und reproduktive Gesundheit" erst nach Überwindung des erbitterten Widerstands der katholischen Kirche in Kraft treten.
http://kipa-apic.ch/index.php?pw=&na=0,0,0,0,d&ki=238567

Sogar moslemische Geistliche hatten die Familienplanung befürwortet.
http://www.livenet.de/magazin/international/asien/117057-philippinen_muslime_befuerworten_familienplanung.html

Die Bundeszentrale für politische Bildung formuliert vorsichtig: „Wird eine möglichst hohe Kinderzahl von der Bevölkerung aus religiösen, kulturellen oder traditionellen Gründen (Sohnespräferenz) angestrebt, wie in hinduistischen, islamischen und teilweise noch in katholischen Bevölkerungsgruppen, kann die auf eine Verringerung des Bevölkerungswachstums zielende Bevölkerungspolitik mit dem Recht der souveränen Länder und der Menschen auf "demografische Selbstbestimmung", das 1984 auf der UN-Weltbevölkerungskonferenz in Mexiko proklamiert wurde, in Konflikt geraten.“
Informationen zur politischen Bildung 282,  http://www.bpb.de/izpb/55932/internationale-bevoelkerungspolitik?p=1


Das Problem, dass es den Kirchenoberen oft um die Zahl der Seelen und somit um Machterhaltung geht, darf schon deutlich angesprochen werden. Ebensolches trifft auch für manche weltlichen Herrscher zu, man denke an wiederholte unverblümte Äußerungen Putins, der Russland in Gefahr durch Aussterben sieht.

http://akademische-blaetter.de/politik/europa-und-die-welt/stirbt-europa

http://www.aktuell.ru/russland/politik/sozial_und_gerecht_putin_verteilt_wahlgeschenke_an_alle_4329.html

Gute Ansätze an der Basis sind zu stärken. So taucht in einer Misereor-Studie der bemerkenswerte Satz auf: „Das rasante Wachstum von Wirtschaft und Bevölkerung in den Schwellenländern ist mit einem starken Anstieg ihrer Emissionen verbunden.“

Misereor: Klimawandel, Energie und Armut, 2010

Deutlicher werden die Katholiken von „Wir sind Kirche“, wenn sie fordern. „Wir erwarten von unseren Bischöfen, dass sie für ... eine selbst verantwortete Gewissensentscheidung und Elternschaft eintreten.“

http://www.wir-sind-kirche.at/content/index.php?option=com_sectiontoc&task=view&id=320&Itemid=23

und die gläubige Katholikin Melinda Gates, die viel Geld für Familienplanung zur Verfügung gestellt hat. (s.o.) „In meinem Land sagen 82 Prozent der Katholiken, Empfängnisverhütung sei moralisch akzeptabel. Lassen wir also die Frauen in Afrika selbst entscheiden.“

http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/gates-stiftung-gibt-570-millionen-dollar-fuer-mehr-verhuetung-in-afrika-a-843990.html

D5 

Die Überwindung von Tabus ist der Anfang jeden Denkens. Es muss der Gedanke überwunden werden, Familienplanung gehöre nur zur Intimsphäre. Stattdessen: muss das Menschenrecht auf Familienplanung akzeptiert werden.

Familienplanung steht wider den Machismo und das Potenzgebaren vieler Männer.

Kinder stehen noch viel zu oft für Ansehen und Reichtum.

Söhne zählen oft mehr als Töchter. Das zwingt viele Frauen zu mehr Schwangerschaften, bis endlich ein Sohn geboren ist, oder zu Abtreibungen und Tötungen der Mädchen.

Das intellektuell wohl am schwersten auszurottende, weil geschickt als wissenschaftliche Aussage getarnte Tabu ist die Verteufelung der Familienplanung als „Imperialismus gegen ein Phantomproblem“. Jede Diskussion darüber sei nur ein Ablenkungsmanöver von den eigentlichen Ursachen des Hungers, der Unterentwicklung und den Machtstrukturen. Niemand, der sich ernsthaft Gedanken um die Tragfähigkeit unserer Erde macht, leugnet diese Ursachen als bedeutende Faktoren. Soll aber bis zu deren Beseitigung, die politisch nicht absehbar ist, millionenfaches Leid und Umweltvernichtung in Kauf genommen werden?

Diese Diskussion währt seit dem Erscheinen des aufrüttelnden Buches von Paul Ehrlichs 1968: The Population Bomb (Die Bevölkerungsbombe).

http://www.savanne.ch/right-left-materials/zag20-18oekolo.html Diskussion Ehrlich - Enzensberger

In einem aktuellen Interview spricht der Mahner der Überbevölkerung auch vom nötigen Konsumverzicht bei uns.

http://www.sueddeutsche.de/wissen/paul-r-ehrlich-im-interview-zehn-prozent-chance-zu-ueberleben-1.1176991

Seine Kritiker scheuen sich nicht davor, ihm und seinesgleichen die Hitlersche Rassenideologie anzudichten, und unterstellen ihnen den Wunsch nach einer aktiven Bevölkerungsvernichtung und den USA eine geheime Verschwörung, um unliebsame und überzählige Erdenbürger loszuwerden.

Susanne Heim und Ulrike Schaz: Berechnung und Beschwörung: Überbevölkerung - Kritik einer Debatte Berlin; Göttingen: Verlag der Buchläden Schwarze Risse / Rote Strasse 1996 248 Seiten, 29.80 DM ISBN 3-924737-33-9

http://sklaven-ohne-ketten.blogspot.de/2009/03/2-3-die-ressourcen-der-welt-nachdem.html

Lassen wir noch mal die Stimme der Al­Azhar­Universität zu Wort kommen: „Serour zufolge haben einschneidende Kürzungen der internationalen Entwicklungshilfe für Familienplanung im Verlauf der vergangenen zwanzig Jahre zur Verlangsamung des Geburtenrückgangs in Ägypten beigetragen. Seine Kritik richtet er an diejenigen, die Entwicklungshilfe für Familienplanung als kulturelle Einmischung oder als Werkzeug einer überkommenen und inakzeptablen Bevölkerungskontrolle betrachten. Wenn machtlosen Frauen in armen Ländern aus ideologischen Gründen der Zugang zu Verhütungsmitteln verwehrt wird, »dann ist das eine Menschenrechtsverletzung«, stellt er klar.

Weltbevölkerungsbericht 2011

E

Ein paar positive Beispiele mögen die Machbarkeit der Familienplanung schildern.

Im Iran lag das Bevölkerungswachstum, auch wegen der Machtpolitik Ayatollah Khomeinis, 1989 noch bei 4,2%. Dann erkannte man aber die Probleme des Bevölkerungsanstiegs und steuerte um. 2006 lag das Bevölkerungswachstum nur noch bei 1,3 %. Ermöglicht wurde dies durch ein Gesetz von 1993, welches Aufklärungsunterricht für Brautpaare vorschrieb und Aufklärung im staatlichen Fernsehen und Gesundheitszentren auf dem Land förderte. Leider ist zu befürchten, dass Präsident Ahmadinedschad die Uhr jetzt wieder zurückdreht. Für ihn gilt die Gleichung: große Bevölkerungszahl = große Staatmacht. Interessanterweise hat allerdings der islamische harte Kern, also die Regierung des Iran, drastische Verhütungsmethoden, wie Vasektomie zugelassen.

In Mexiko wollte man nicht warten, bis alle Analphabeten genügend gebildet gewesen wären. So half das Fernsehen z. B. 1974 durch Aufklärung in Seifenopern

über die Themen reproduktive Gesundheit, Verhütungsmöglichkeiten und Familienplanung. Nach 10 Jahren sanken die Geburtsraten um 34 %. Die Kosten waren gering, jedoch die Auswirkung groß.
http://www.earth-policy.org/books/wote/wotech11

In Äthiopien erfolgte die Aufklärung im Radio in der Amhara-Region seit 2002. Dort sank die Fertilität immerhin von 5,3 auf 4,2 Kinder pro Frau.

F Möglichkeiten des BUND

Der BUND kann aktiv in die Ausgestaltung der Diskussion eingreifen. Er kann in Stellungnahmen, Positionen und öffentlichen Auftritten das Thema als essentiell für die Umwelt herausstellen. Unsere Aussagen haben Gewicht. Eine halbe Million Mitglieder wird wahrgenommen. Sie hilft auch, weiter gehende Forderungen zu positionieren, etwa die Förderung von Entwicklungshilfeprojekten in Kooperation mit NGOs, z.B. der Welthungerhilfe. Als Beispiel sei auf ein Projekt des Nabu verwiesen, der in Äthiopien mithilft, den wilden Kaffeewald zu retten und das Problem der Bevölkerungszunahme aktiv angeht.

Oberstes Ziel aller Kooperationspartner ist es, den Menschen im Bonga Forest nachhaltige Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten und ihre Lebensbedingungen so zu verbessern, dass der Wald geschützt und in seiner biologischen Vielfalt erhalten bleibt.“

Gleichzeitig fördert das Projekt Aufklärung über HIV / Aids und Verhütung in den Gemeinden und stattet Geburtshelferinnen mit dringend benötigten Materialien aus. Auf diese Weise konnte in einigen Gemeinden die Zahl der Kinder pro Familie bereits um die Hälfte reduziert werden. Der Druck auf die natürlichen Ressourcen des Waldes verringert sich so auf sanfte Weise.

http://www.weltbevoelkerung.de/projekte/projekte-in/aethiopien/bonga-forest.html

http://www.nabu.de/themen/international/laender/aethiopien/07637.html

Der BUND kann Programme von UN-Organisationen unterstützen, entweder durch aktive Mitarbeit oder Kampagnen und politische Unterstützung.

Der BUND kann sich politisch einmischen und die Forderung nach Aufstockung der Finanzmittel für Familienplanungsprogramme laut vorbringen. Entwicklungshilfe ohne Familienplanungsprogramme darf es nicht mehr geben.

Familienplanungsprogramme sind als am schnellsten wirksames Mittel der Eindämmung des Bevölkerungswachstums anzuerkennen.

Zur Finanzierung gehört auch das Eintreten für eine Finanztransaktionssteuer, deren Erträge der Entwicklungshilfe zugute kommen müssen. Im Übrigen ist das 0,7 %-Ziel  der Entwicklungshilfe am Staatshaushalt einzufordern. Internationale Abkommen können beworben werden. Nicht zuletzt können Kirchenvertreter auf ihre Verantwortung für die Menschheit hingewiesen werden.

Als konkret umsetzbare Möglichkeiten bieten sich jährliche Aktionen am Weltbevölkerungstag am 11. Juli an.

F1 strategisches Vorgehen

BUND-Positionen müssen vor der Besprechung im wissenschaftlichen Beirat an den AKIU zur Stellungnahme gehen. Eine Nichtbeachtung der Stellungnahme ist zu begründen und dem AKIU zur Diskussion vorzulegen.

Die Vernetzung mit anderen NGOs ist zu fördern. Als konkrete Maßnahme kann ein Workshop, etwa in Nürnberg, zum Thema globales Bevölkerungswachstum angeboten werden.

Der Stellenwert des AKIU wird durch Aufstocken der Finanzmittel sichtbar.

Ein BUND-Positionspapier zum Thema globales Bevölkerungswachstum wird erarbeitet.

Ein Beschlussvorschlag wird der nächsten BDV vorgelegt.

G Schlussbetrachtung

Neuere Stimmen sprechen von einem Trilemma, das es aufzuheben gilt: Wachsende Weltbevölkerung und wachsende Konsumansprüche führen zu mehr Energieverbrauch und CO2.

Klingholz/Töpfer: Das Trilemma des Wachstums, 2012; http://www.berlin-institut.org/fileadmin/user_upload/Trilemma_des_Wachstums/DP_Klima_Web.pdf :

Die Biosphäre geht schon in die Knie, obwohl erst ein Viertel der Weltbevölkerung die Früchte des wirtschaftlichen Fortschritts genießt. Drei Viertel jedoch haben noch Nachholbedarf, sie wollen es den Wohlhabenden gleichtun. In einer zerklüfteten Welt ist der Wille, Ungleichheiten zu überwinden, eine der stärksten Triebkräfte. Sollen die Ärmeren ausgeschlossen bleiben, um die Umwelt zu retten, oder gelingt es, Formen des Wohlstands zu entwickeln, die ungleich weniger Natur verbrauchen? Es ist die kosmopolitische Mission der Ökologie, mehr globale Gerechtigkeit zu ermöglichen, ohne die Erde ungastlich zu machen.

BUND u.a.: Zukunftsfähiges Deutschland,

http://www.zukunftsfaehiges-deutschland.de/fileadmin/zukunftsfaehigesdeutschland/PDFs/ZD_Einblicke_Endfassung.pdf

Umweltorganisationen – und der BUND ist eine der markantesten in Deutschland und Europa und weltweit vernetzt - dürfen sich nicht scheuen, ihre sonst so klaren Positionen auch beim Thema Familienplanung zu äußern. Unsere Fürsorge für die Natur gebietet uns, die Grenzen unseres Planeten anzuerkennen. Unsere Fürsorge für die Menschen gebietet uns, allen das Recht der Entwicklung zuzugestehen. Beides zusammen kann nur gelingen im Zusammenspiel mit Konsumbegrenzung vordringlich bei uns - und Bevölkerungseindämmung weltweit.

Unser Dank für die Unterstützung gilt den unermüdlichen Kämpfern des AKIU, insbesondere der Sprecherin Marianne Henkel, dem früheren Sprecher Daniel Pentzlin, dem Gründer Prof. Dr. Günter Witzsch, dem BUND-Vorsitzenden Prof. Dr. Hubert Weiger und vielen Mitstreitern, die ihr Interesse und ihre aktive Mitarbeit an diesem wichtigen Thema bekundet haben.

Günther Raß
Rainer Edelmann
Kazumi Nakayama
Ingrid Treutter

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